[English translation] 

XENA 

die Kriegerprinzessin

In einer Zeit, in der Blödmänner und Schäferhunde das Fernsehen beherrschen, schreit die Zuschauerin nach einer Heldin, die mit ihrer ganzen Leidenschaft an Spannung, Witz und Unterhaltung in weniger als einer Stunde wieder gut macht, was die Serienproduzenten die ganze Woche über versaubeuteln.
 

Als 1995 in den Staaten die erste Staffel der Fantasy Serie Hercules zu Ende ging, tauchte in einer Folge die Kriegerprinzessin Xena (Lucy Lawless) auf, die brandschatzend und marodierend durch die Lande zog. Hercules (Ken Sorbo) und sie lieferten sich einen Kampf auf Leben und Tod. Natürlich siegte das Gute über das Böse und das Böse wurde daraufhin gut. Die Figur der Xena stieß beim Publikum auf so großes Interesse, daß sich die Produktionsgesellschaft entschied, einen spin off zu drehen. Das ist bei Serien- oder Filmproduktionen nichts außergewöhnliches. Die Figur der Catwoman aus Batman zum Beispiel war so beliebt, daß sie ebenfalls eine eigene Serie bekam.

Um die einzelnen Handlungsstränge und Biographien der Figuren komplett zuverstehen, müssen beide Serien gesehen werden. Ein geschickter Schachzug der Produzenten. Durch das sich überschneidende Personal sind Fans einer der beiden Serien an die jeweils andere gebunden. Egal also, welche gerade der Publikumsrenner ist, es wird sich zu beiden eingeschaltet. Das Konzept hat sich auf jeden Fall ausgezahlt. Mittlerweile hat Xena den großen Bruder Hercules an Zuschauergunst und Einschaltquoten bei weitem überrundet. Aber auch Star Trek, Akte X und American Gothic schauen gegen die Kriegerprinzessin in die ausstrahlungsarmere Bildröhre. So richtig gerechnet hatte mit diesem Erfolg niemand. Aber mit Xena traf Produzent Sam Raimi den Zuschauernerv der 90ger sozusagen spinal. Xena und ihre Begleiterin Gabrielle abenteuern sich feministisch, politisch korrekt, esoterisch, minderheitenfreundlich und körperübend durch die Folgen.

Liebenswert macht sie, daß beide nicht in das klassische Schönheitsideal passen wollen. Trotz flachem Bauch sind sie auch knapp bekleidet keine Barb Wires oder Emma Peels. Gewalt ist eher eine surreale Angelegenheit, kaum Blut, kaum Tote, aber jede Menge Keilereien mit einer wunderbaren Choreographie, die eine Mischung zwischen Martial Arts und Sprüngen ergibt, die jede Schwerkraft als kleingeistige Mathematik entlarven.

Die Monster, die ihnen begegnen sind zumeist mißverstandene Kreaturen, die wie gesellschaftsnahe Underdogmetaphern daherkommen. Aus Unrecht wird Recht, Feinde haben sich am Ende sehr lieb, SchurkInnen hatten eine schlimme Kindheit und die kleinen Gemeinheiten gelangweilter Götter und Göttinnen gegen die Sterblichen werden jenen einfach wieder zurück in den Rachen geschoben. Und all dieses in 45 Minuten, unterhaltend, witzigen Dialogen und mit wenig moralischem Tiefgang.

Sowohl Hercules als auch Xena bedienen sich in ihren Geschichten der griechischen Mythologie der Antike, die sich auch unbearbeitet wie eine Seifenoper liest. Intrigen, Neid, verhängnisvolle Affären, gelangweilte Gattinnen, ungeklärte Verwandtschaftsverhältnisse, ganz schlechte Ausreden für Seitensprünge ("Das war nicht ich, sondern irgend so ein dahergepaddelter Schwan."), und kleine bis große Wunder stehen auf dem alltäglichen Spielplan der Damen und Herren Divinitäten des Olymp. Jedoch nimmt es das Produktionsteam beider Serien nicht so genau mit dem Sagendiskurs. Xena hat schon einmal mit Julius Cäsar ein Techtelmechtel oder Gabrielle und sie suchen als ihre eigenen Nachfahrinnen in einer Indiana-Jones-Satire die legendären Xena-Schriftrollen. Auch Hercules beweist seine halbe Göttlichkeit während der Französischen Revolution.

In der vierten Staffel von Hercules wird es dann ganz verrückt. Wie bei Star Trek gibt es ein Paralleluniversum, in dem die Helden und Heldinnen genau spiegelverkehrt existieren. Hercules verwandelt sich dort in einen bärtigen Prolo und Xena darf ein mieses, laszives Luder mit einem Luise Brooks Haarschnitt spielen.

Xena lebt vor allem durch seine Figuren, die einen festen Platz in der Serie haben. Wie Hercules Iolaus wurde Xena eine Freundin zur Seite gestellt, die charakterstark und eigenständig genug ist, um der Kriegerprinzessin bei jedem Abenteuer zur Seite zu stehen und gegebenenfalls auch ein eigenes Sequel zu bestreiten. Die Bardin Gabrielle (Réene O´Connor) erhält bereits in der ersten Staffel ihre Ausbildung zur Kämpferin bei den Amazonen, eine ganz und gar sympathische Truppe von Lesben, Heteras und Freundinnen bizarrer Spiele mit Centauren, die friedlich in einem Dorf leben können. Wenn es interne Probleme gibt, dann höchstens nervenzehrende kleine Kompetenzstreitereien, die das Völkchen an sich aber nicht auseinanderbringen können.

Ihre Erzfeindin Callisto (Hudson Leick) hat sich Xena selbst eingebrockt. Als Kriegsherrin brannte ihr Heer das Dorf nieder und tötete ihre ganze Familie. Callisto, damals noch ein Kind, schwor Xena ewige Rache und mutierte zu einer Art sarkastischen Killerbarbie. Die psychopathische Callisto ist bei den ZuschauerInnen in gleichem Maße beliebt wie die Kriegerprinzessin. Völlig irre, mordlustig und so unsterblich wie eine Exfreundin, die noch eine Rechnung offen hat, kreuzt sie immer wieder Xenas und Gabrielles Weg, um ihnen den Tag zu versauen. Anders aber als anhängliche Exen sind ihre Sprüche witzig und pointiert. In Die Rachegöttin entschuldigt sich Xena öffentlich bei Callisto für deren verpfuschtes Leben. Diese ist sichtlich gerührt und hilft Xena, die unsterblich gewordene Amazonenkönigin Valesca in einen Lavastrom zu stürzen.

Killerken alias Kriegsgott Ares, Halbbruder des Hercules, kann nicht akzeptieren, daß Xena die Fronten gewechselt hat und will sie wieder zu einer grausamen Kriegerin machen. Dazu gehören auch ein lakonischer Hades, dem die Arbeit mit den Toten immer zu viel ist und lieber mit seiner Gattin Persephone in den Urlaub fahren möchte, Aphrodite, die eitle Liebesgöttin und ihr Sohn Cupido, dem eigentlich nur noch die weißen Tennissocken fehlen, um wie ein schwuler Pornostar auszusehen, der nervtötende Joxer, von dem niemand sagen kann, was er eigentlich in der Serie zu suchen hat, außer daß er der Bruder vom Produzenten ist und ehemals mit der Pleiteserie Sequest absoff.

Was Xena zu einer echten Heldin macht, ist sicherlich ihre toughe Erotik. In Leder und Metall gekleidet sehen Schmutz und Schweiß an ihr nicht merkwürdig angepinselt aus, sondern glaubwürdig.

Das schaffte vor ihr nur Linda Hamilton in Terminator 2, die das Schmieröl ihres Maschinengewehrs fachkundig tragen konnte. Beide Figuren werden von männlichen Fans gerne in einer Reihe mit Barbarella, Vampirella oder auch Barb Wire gesehen, die jedoch im direkten Vergleich eher seltsam nach Intimspray riechen. Lucy Lawless: Ñ Wann immer in der Vergangenheit eine Frau in eine archetypische männliche Geschichte integriert wurde, wirkte sie oft viel zu fraulich. Wonder Woman beispielsweise war immer perfekt gestylt, hatte tolle Fingernägel und frisch geföntes Haar. Sie legte ganz offensichtlich mehr Wert auf ihr Aussehen als auf eine erfolgreiche Verbrecherjagd. Würde Xena während eines Zweikampfes ihr Oberteil verlieren, dann würde sie auf keinen Fall ihre Hände vor die Brüste halten, sondern dem Typen vermutlich jeden Knochen einzeln brechen.ì

In den USA wird Xena bereits als neue Dyke-Icon gefeiert. Im New Yorker Nachtclub Meow Mix, der wohl bekannteste Nobelschuppen für Lesben in der Stadt, werden dreimal im Monat Schwertkämpfe zwischen zwei lesbischen Xena-Lookalikes aufgeführt, nachdem das Publikum zuvor mit ausgesuchten Episoden per Videobeam in Stimmung gebracht wurde. Prominente Lesben wie Ellen DeGeneres und Annie Sprinkle gehören ebenfalls zu den Fans von Xena.

Für die aufmerksame Zuschauerin ist das nicht weiter verwunderlich, denn Xena und Gabrielle sind das zweideutigste Paar seit Batman und Robin. Nicht nur die einzigartige Chemie zwischen den beiden Schauspielerinnen gibt hier Raum für Spekulationen, sondern auch die homofreundliche Atmosphäre der Serie. Gedreht werden sowohl Hercules als auch Xena in Neuseeland, das dem Produktionsteam, dem auch Lesben und Schwule angehören, größere Freiheiten bietet als das prüde WASP-Amerika. Die Episode Wir präsentieren .. Miss Amphipolis hat zum Beispiel einen ganz verqueeren Plot. Xena mischt mit ihrem Freigeist eine ganze Schönheitskonkurrenz auf, die Modells rebellieren reihenweise gegen das Joch der Vermarktung ihrer Körper und es gewinnt Miss Artiphys (ein Wortspiel zwischen artificial und artiphysical), die bereits während der Bühnenshow mit einem "Ich bin keine Prinzessin, sondern eine Queen!" der meuternden Jury trotzt. Zum Schluß stehen Xena und die Schönheitskönigin gemeinsam auf der Bühne und feiern ihren Triumph mit einem provokantem Kuß, der für die BesucherInnen der Veranstaltung sehr lesbisch aussieht. Natürlich ist Miss Artiphys ein Transvestit, der sich nichts sehnlicher wünscht als anerkannt zu werden als das, was er ist.

Zwar haben in der Serie Xena und Gabrielle hin und wieder ihre kleinen heterosexuellen Liebschaften, jedoch sind diese immer nur von kurzer Dauer. Am Ende fast jeder Folge schlendern die beiden Heldinnen zusammen in den Sonnenuntergang und versichern sich ihrer Freundschaft mit Geständnissen wie " Xena, ich bleibe bei dir, egal in welchem Körper du steckst." oder als Gabrielle bedauert, daß sie für Xena kein Geschenk hat, entgegnet diese mit einem zärtlichen Blick: "Gabrielle, du bist mir das größte Geschenk."

In einigen Folgen dürfen sich die beiden auch küssen. Als Xena Gabrielle in einer Episode leidenschaftlich auf den Mund küßte, frohlockte bereits das lesbische Publikum in den Fernsehsesseln.

Kurze Zeit später 'klärte' sich diese Szene; in Xenas Körper steckte ein Mann (Folge 37). Ein Trick, um das Hetero-Publikum nicht zu verprellen, der bereits bei dem innigen Filmkuß zwischen Demi Moore und Whoopi Goldberg in Ghost- Nachrichten von Sam funktionierte. Die Macht des Schicksals enthält einen Zusammenschnitt aller Szenen, in denen die jeweils eine glaubt, ihre Gefährtin verloren zu haben. Diese Sequenz an gesampeltem Heulen und Zähneklappern macht nur dann einen Sinn, wenn man eine Geliebte verliert.

Die aufregendste und auch homoerotischste Folge allerdings, wurde von RTL nicht zum gewohnten Sendetermin ausgestrahlt. Die FSK ließ die Folge nicht ungeschnitten in die Nähe kleiner Kinderhirne. Finstere Mächte, die im Originaltitel Girls Just Want To Have Fun vieldeutiger Aufschluß über die Handlung gibt, ist eine Hommage an das Vampirgenre. Gott Bacchus, entführt aus einem Dorf junge Frauen, um sie durch sein Blut zu seinen unsterblichen Anhängerinnen zu machen. Xena und Gabrielle versuchen ihn zu vernichten und sehen sich mit einer ganzen Bande in knappem Schwarz und massiven Dyke-Appeal bekleideten Vampirinnen konfrontiert. Auf einem Fest, das eher einer hippen Schwulen- und Lesben-Party gleicht, gerät Gabrielle in die lüsternen Fangzähne und wird selbst zu einer Bacchae. Gabrielle zögert jedoch im Showdown, ihre Freundin zu einer Vampirin zu machen. Xena bittet sie um den wohl endgültigsten und sexgeladensten Kuß aller Küsse. "Gabrielle, bitte tu es!" und genießt es offensichtlich. Dip me in blood and throw me to the Bacchae!

Lucy Lawless zu der Beziehung der beiden Heldinnen: "Wir wollen ja gar nicht behaupten, daß es sich um heterosexuelle Charaktere handelt. Wir schneiden dieses Thema eigentlich niemals richtig an, sondern überlassen dem Zuschauer und seiner Vorstellungskraft die Beantwortung der offenen Fragen. Ich vermute allerdings auch, daß Xena und Gabrielle durchaus mehr als nur pure Freundschaft füreinander empfinden."

Gerüchte über die Leidenschaften der beiden Schauspielerinnen gibt es natürlich zu Hauf. Von Lucy Lawless heißt es, sie sei immer noch auf der Suche nach einem Traumprinzen. Sie lebt zusammen mit ihrer neunjährigen Tochter, die sie als Zwanzigjährige in einer sehr kurzen Ehe mit einem Sandkastenfreund bekam, allein in Neuseeland und verweigert jede Auskunft über ihr Privatleben. Von Renée O´Connor weiß man nur, daß sie in San Francisco lebt - auch allein.

Nun denn, frohe spekulative und gemütliche Sonntagnachmittage!
 

Stephanie Kuhnen
 

Für die Fans von Xena, vor allem die, die einen Videorekorder haben, strahlt RTL die Folgen nachts ungeschnitten aus.

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